Aus dem Kinderkrankenhaus im Hufeland-Krankenhaus Berlin-Buch (Direktor: Prof. Dr. H. Kirchmair)

Behandlung der Hepatitis epidemica im Kindesalter mit hohen Dosen Ascorbinsäure

Von Heinrich Kirchmair und Bodo Kirsch

Mit 5 Textabbildungen

Während der letzten Jahre hat die Zahl der Erkrankungen an Hepatitis epidemica ganz beträchtlich zu genommen. So stieg die Zahl der Einweisungen in unser Kinderkrankenhaus von 12 im Jahre 1953 auf 166 im Jahre 1956 an (Abb. 1). Da die Hepatitis epidemica in der DDR zu den meldepflichtigen Erkrankungen gehört, ist es uns möglich, an Hand der uns vom Ministerium für Gesundheitswesen zur Verfügung gestellten Zahlen ihr Ansteigen für dieses Gebiet aufzuzeigen; wir sehen (Abb. 2), daß die Zahl der Erkrankungen vom Jahre 1951 mit 789 Krankheitsfällen bis zum Jahre 1956 auf die enorme Zahl von 29 896 angestiegen ist. Die Zahl der Sterbefälle macht zwar diesen starken Anstieg nicht mit (Abb. 3), gibt aber doch ebenso wie die Zunahme der Erkrankungen zu einiger Besorgnis Anlaß.

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Abb. 1. Im Kinderkrankenhaus Berlin-Buch behandelte Patienten mit Hepatitis epidemica

 

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Abb. 2. Gemeldete Erkrankungen an Hepatitis epidemica in der DDR (ohne Berlin)

 

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Abb. 3. Gemeldete Sterbefälle an Hepatitis epidemica in der DDR
(ohne Berlin)

Wenn auch durch die Meldepflicht in unserem Raume sicher mehr Krankheitsfälle erfaßt werden, so macht sich aber doch auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik bereits seit geraumer Zeit eine Zunahme der Neuerkrankungen bemerkbar, wie dies Jacobi zeigte und wie es auch durch Curtius, Grühn und Wilckhaus bei den Erkrankungen von Kindern gefunden wurde. Bei einer derart beängstigenden Zunahme einer Krankheit, die erstens nicht in wenigen Tagen oder Wochen zu heilen ist und die außerdem nicht selten zu Rezidiven oder gar das Leben gefährdenden Komplikationen, Nachkrankheiten oder Organveränderungen führt, sieht man sich gezwungen, wieder einmal das zu sichten, was uns als ärztliches Rüstzeug zur Hepatitis-Therapie — symptomatisch und spezifisch — zur Verfügung steht. Schon die Vielzahl der Empfehlungen einer Behandlung läßt uns erkennen, daß wir bisher von einer auch nur annähernd wirksamen Therapie noch weit entfernt sind. Schon älteren Datums ist die Behandlung mit Insulin bei gleichzeitiger Verabreichung von Glukose (Guenkin u. a.), wie sie immer wieder empfohlen wird. Die von Hempson vorgeschlagene Kombination von Insulin-Traubenzucker mit Kalzium-Glukonat ergab keine Verbesserung in der Wirkung. Graff versuchte, die Hepatitis epidemica durch Aureomycin, Chloromycetin oder aber durch eine Kombination dieser Antibiotika mit Cortiron abzukürzen. Die Erfolge waren keineswegs überzeugend. Später wiesen Beckmann, Müller und Wiedenmann ausdrücklich daraufhin, daß durch eine Behandlung mit Aureomycin eine Abkürzung der Krankheitsdauer nicht erreicht werden kann, und daß diese antibiotische Therapie höchstens im Anfangsstadium der Hepatitis epidemica zu empfehlen sei.

Die Behandlung, die sich im Laufe der Zeit als die wohl noch günstigste ergeben hat, war bisher die mit einer dem jeweiligen Krankheitszustand angepaßten Diät, Verabreichung von Cholinchlorid, Methionin bzw. Kombinationspräparaten dieser beiden, ferner Vitamin-B-Komplex, Vitamin C (etwa 150 mg täglich) und u. U. zusätzlich noch Decholin, Hepatrat, Lävulose-Präparate usw. Mit Recht wies Heller-Krause auf die Gefahr der überdosierung einer einzigen Aminosäure hin, was zu Korrelationsstörungen im Eiweißstoff-wechsel führen kann.

Daß das Vitamin B12 in hoher Dosierung bei der Hepatitis epidemica keinen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Krankheit hat, konnten Campbell sowie auch Still und Wachter nachweisen.

Magerl schlug 1952 eine Behandlung der Hepatitis epidemica von Kindern mit Percorten vor. Bessere Erfolge teilte Grund mit, der Pancortex verabreichte, das außer dem Frischdrüsenextrakt noch Ascorbinsäure enthält und in der angegebenen Dosierung neben dem Nebennierenrindenextrakt den Patienten täglich 500 mg Vitamin C zuführt. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang eine Mitteilung von Wildhirt, der zweimal eine Leberverfettung nach Cortisonbehandlung der Hepatitis epidemica beobachtete. In jüngster Zeit versuchten Siede und Klamp eine Behandlung mittelschwerer und schwerer Virus-Hepatitis mit Prednison (Decortin). Sie gaben bei 30 Patienten nach einem bestimmten Schema innerhalb von 10 Tagen insgesamt 250 mg. Eine gleich große Kontrollgruppe wurde wie üblich mit Lävulose, Glukose, Pancortex, Cholin, Vitamin-B-Komplex und Vitamin B12 behandelt. Die diätetische Behandlung war bei beiden Gruppen gleich. Innerhalb der ersten 2-3 Tage der Prednison-Therapie besserte sich das Allgemeinbefinden sehr eindrucksvoll. Nach 5 Tagen war der Bilirubin-Spiegel um 52,8%, am 11. Tag um 69% des Ausgangswertes gefallen. Die entsprechenden Werte der Kontrollgruppe betrugen 15% bzw. 37%. Ebenso zeigten die Untersuchungsergebnisse der Bilirubinausscheidung, der Takata-Reaktion und des Thymol-Trübungstestes bei der Prednison-Gruppe günstigeren Verlauf an. Somit schien den Autoren der therapeutische Effekt des Prednisons gesichert. Aber es muß doch darauf hingewiesen werden, daß einmal bei einem mit Prednison behandelten Patienten ein echtes Rezidiv auftrat und daß zweimal bei zu frühem Absetzen des Prednisons die Patienten erneut ikterisch wurden.

Um die Vielzahl der Therapieversuche aufzuzeigen, sei hier noch erwähnt, daß Schliephake eine Behandlung der Hepatitis epidemica mit Mikrowellen (UK-Wellen mit einer Wellenlänge unter 1 m und einer Frequenz von 300 MHz) mitteilte. Dagegen empfiehlt Braeuker eine Sympathikus-Therapie durch paravertebrale Anaesthesie der Lebersegmente D7 bis D9, wie bereits vor Jahren von Nonnenbruch vorgeschlagen wurde. Darüber hinaus wurde eine frühzeitige Injektion in das rechte Ganglion coeliacum und in die sich nach rechts anschließenden Ganglien des Plexus coeliacus empfohlen.

Einen überraschenden Erfolg bei der Behandlung der Hepatitis hatten Baur und Staub (1954), die bei 11 Patienten hohe Dosen von Redoxon verabreichten, und zwar gaben sie täglich intravenöse Infusionen von 11 physiologischer Kochsalzlösung mit einem Gehalt von 1% Ascorbinsäure. Aber im Jahre 1956 gab dann Staub gelegentlich des Freiburger Symposions über „Pathologie, Diagnostik und Therapie der Lebererkrankungen“ zu, daß Nachprüfungen in alternierenden Reihen gezeigt hätten, daß auch mit dieser Therapie ein krankheitsverkürzender Erfolg nicht sicher erreicht werden könne.

Geringer dosierte Stockmann das Vitamin C, und zwar gab er Kindern neben künstlichem Karlsbader Salz, fettloser Kost und Wärme bis zu 500 mg Cebion täglich. Bei mehr als 100 Fällen von epidemischer Hepatitis konnte nachgewiesen werden, daß sich bereits wenige Tage nach Behandlungsbeginn der Allgemeinzustand besserte, die Kranken wieder Appetit bekamen und der vorher sehr dunkle Urin heller wurde.

Die in der Literatur angegebenen, wenn auch zum Teil wieder eingeschränkten Erfolge der Ascorbinsäurebehandlung der infektiösen Hepatitis veranlaßten uns, ebenfalls eine Behandlung mit höher dosierten Gaben von Vitamin C zu versuchen. Zunächst gaben wir den erkrankten Kindern Tropfinfusionen mit 5 g Ascorbinsäure täglich, sahen dabei aber keine deutliche Besserung des Verlaufs der Hepatitis und beobachteten bei dieser Dosierung auch vereinzelt Rezidive.

Um den Einwand zu entkräften, daß die Infusiort größerer Flüssigkeitsmengen als solche an dem Erfolg der Hepatitis-Behandlung wesentlich beteiligt sei, gaben wir einer Reihe von Kindern Tropfinfusionen von täglich 1000 ml Isotonal und Kochsalzlösung zu gleichen Teilen. Schon Gutzeit hatte darauf hingewiesen, daß die Verabreichung großer Flüssigkeitsmengen durch die Entfernung toxischer Stoffwechselschlacken den Heilungsverlauf der Hepatitis begünstige. Wir konnten jedoch keinen Effekt feststellen und beobachteten wiederum verschiedentlich Rezidive.

Eine deutliche und wesentliche Verbesserung gegenüber allen bisherigen Behandlungsmethoden sahen wir erst, als wir etwa 5 Tage lang täglich Tropfinfusionen mit 10 g Ascorbinsäure* in 100 ml Aqua dest. mit 500 ml 0,9%iger Kochsalzlösung sowie 400 ml Isotonal i. v. gaben (s. Baur und Staub).

|* Die beträchlichten Mengen von Ascorbinsäure wurden uns von der Deutschen Hoffman-La Roche AG., Grenzach/Baden (Redoxon), und von Jenapharm, Jena, zur Verfügung gestellt.|

Alle Patienten wurden wie folgt behandelt: Strenge Bettruhe, trockner Wickel über fast den ganzen Stamm, Vitamin-B-Komplex, fettlose, kohlenhydrat und eiweißreiche Diät. Eine Fettzulage erfolgte erst nach völligem Rückgang der Leberschwellung und dem Verschwinden der Gallenfarbstoffe aus dem Urin. Außerdem gaben wir bis zum Beginn der Ascorbinsäurebehandlung an Medikamenten Cholinchlorid, Methionin und Magnesiumsulfat.

Bei insgesamt 63 Patienten wurde die angegebene Grundbehandlung beibehalten, die medikamentöse Therapie aber abgesetzt und durch Tropfinfusionen mit Vitamin C ersetzt. 15 Kinder, die in der Schwere ihrer Erkrankung den mit Vitamin C behandelten entsprachen, erhielten als Vergleichsgruppe weiter die oben angegebenen Medikamente.

Bei Kindern über 5 Jahren setzte sich die Infusionsflüssigkeit insgesamt 1000 ml folgendermaßen zusammen:

100 ml 10%ige Ascorbinsäurelösung,
500 ml 0,9%ige Natriumchloridlösung,
400 ml Isotonal **.

** Isotonal ist folgendermaßen zusammengesetzt: 0,1% Dextrose, 0,8% Natriumchlorid, 0,04% Kaliumchlorid, 0,25% Kalziumchlorid, 0,0005% Magnesiumchlorid, 0,001% Natriumphosphat und 0,05% Natriumkarbonat.

Kinder unter 5 Jahren erhielten die Hälfte der angegebenen Menge als Dauer-Tropfinfusion. Entsprechend dem Abfall des Serumbilirubins sowie dem Rückgang der Gallenfarbstoffe im Urin wurde die intravenöse Infusion 4-8 Tage lang verabreicht.

Um uns davon zu überzeugen, ob die Art der Applikation des Vitamin C für den Erfolg von Bedeutung ist, gaben wir im weiteren Verlauf einer Reihe von Kindern die angegebene Infusionsflüssigkeit als rektale Tropfinfusion. In manchen Fällen waren wir wegen schlechter Venen oder bei mäßigen Reizerscheinungen an der Einstichstelle gezwungen, eine kombinierte intravenös-rektale Applikation zu wählen. Nachdem wir aber dazu übergingen, die Einstichstellen und deren Umgebung mit Thrombophobsalbe einzureiben, traten die erwähnten Reizerscheinungen nicht mehr auf.

Die rektalen Tropfinfusionen wurden bei den verschiedenen Patienten 5-10 Tage lang gegeben; die kombinierte intravenös-rektale Tropfinfusion gaben wir je nach den Untersuchungsbefunden 6-8 Tage lang. Bei einer Tropfenzahl von 35/min dauerte bei Gebrauch einer DIN-1-Kanüle die i. v. Tropfinfusion 4-6 Stunden, die rektale Tropfinfusion bei einer Tropfenzahl von 40 bis 60/min etwa 3-4 Stunden. Als Kriterien für die Dauer der Ascorbinsäurebehandlung sowie den weiteren Heilungsverlauf dienten uns der Rückgang der Serumbilirubinwerte bis zur Norm, die Dauer der Ausschiedung von Bilirubin, Urobilinogen und Urobilin im Harn, der Ausfall der Blutkörperchensenkungsreaktion, der Rückgang der testbaren Lebervergrößerung und die Beurteilung des Gewichtsverlaufes.

Auffallend war die bereits in den ersten Tagen erfolgende subjektive Besserung der Patienten, ihr guter Appetit und eine sehr gute Gewichtszunahme, die mit Sicherheit nicht durch eine Wasserretention bedingt war, da wir in allen Fällen eine überschießende Diurese beobachten konnten. Diese Diurese scheint derjenigen zu entsprechen, die auch sonst oft (aber viel später) die Rekonvaleszenz der Hepatitis einleitet, indem das während der präikterischen Phase eingelagerte Wasser und die Chloride wieder ausgeschieden werden. Nach Abbasy, Evans u. a. besitzt das Vitamin C bei Flüssigkeitsretentionen hepatogenen, renalen und kardialen Ursprungs eine sehr ausgeprägte diuretische Wirkung. Es ist aber noch nicht bekannt, wie diese Wirkung zustande kommt.

Besonders auffallend war der sehr rasche Rückgang der Leberschwellung (Abb. 4). Gleichlaufend mit diesem Rückgang der Leberschwellung ist das Abblassen des Ikterus der Haut und der Skleren zu beobachten. Die BSG ist ebenfalls bei den mit Vitamin C behandelten Patienten deutlich rascher normalisiert, als früher.

 

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Abb. 4. Rückgang der Lebervergrößerung in Tagen

I:

Bei allgemeiner Therapie in den jahren 1953-1956

II:

Bei Behandlung mit hohen Dosen Vitamin C
a) intravenöse Dauertropfinfusion
b) rektale Dauertropfinfusion
c) kombinierte intravenös und rektal

III:

Mittelwerte von I und II

Die Gallenfarbstoffe verschwanden dem raschen Abblassen des Ikterus und dem Rückgang der Leberschwellung bei der Vitamin-C-Behandlung rasch aus dem Urin.

Diese Patienten konnten durchweg schon in der zweiten Woche mit Fett belastet werden, vertrugen den Übergang zu einer fettreicheren Kost gut, es erfolgte kein Wiederauftreten von Gallenfarbstoffen im Urin und wir sahen bei den mit hohen Dosen Vitamin C behandelten Patienten keine Rezidive.

Wir beobachteten bei unseren mit Ascorbinsäure behandelten Kindern außerdem, daß bereits nach den ersten Tagen keine Kopf-, Muskel- oder Gelenkschmerzen mehr auftraten und daß außerdem der früher häufig beobachtete Herpes labialis auch nicht mehr auftrat. Auch Furunkulosen,die früher nicht ganz selten waren, traten bei unseren Patienten jetzt nicht mehr auf.

Vergleichen wir nun die Dauer der Klinikbehandlung bei der allgemeinen Therapie, wie sie in den Jahren 1953-1956 hier durchgeführt wurde, mit der Behandlung mit hohen Vitamin C-Gaben, so ergibt sich ein eindrucksvoller Unterschied (Abb. 5). Während wir früher im Mittel 64,9 Behandlungstage brauchten, bis wir die Patienten als geheilt entlassen konnten, ist dies bei unseren 63 Patienten, die hohe Dosen Vitamin C erhielten, bereits nach 31,8 Tagen der Fall gewesen. Ein signifikanter Unterschied besteht bei den 3 verschiedenen Applikationsarten der Ascorbinsäure (intravenös, rektal, kombiniert intravenös-rektal) nicht.

 

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Abb. 5. Klinikbehandlung in Tagen

I:

Bei allgemeiner Therapie in den jahren 1953-1956

II:

Bei Behandlung mit hohen Dosen Vitamin C
a) i.v. Dauertropfinfusion
b) rektale Dauertropfinfusion
c) kombinierte intravenös und rektal

III:

Mittelwerte von I und II

Um einen Anhalt für die Resorption der Ascorbinsäure bei verschiedener Applikation zu erhalten, bestimmten wir mit der Dichlorphenolindophenol-Titration* nach Tillmans den Vitamin-C-Gehalt im 24-Stunden-Urin. Wurden die Patienten mit der früher üblichen Therapie medikamentös behandelt, so ergab sich im Durchschnitt eine tägliche Ausscheidung von etwa 20 mg Ascorbinsäure. Dagegen schieden die Kinder, die täglich 10 g Ascorbinsäure intravenös erhielten, nach anfänglichem Anstieg der Vitamin-C-Ausscheidung während der Infusionstage auf bis zu 90% der infundierten Menge, nach Absetzen der Vitamin-C-Zufuhr weiterhin täglich 200-300 mg Ascorbinsäure aus, was bei gleichbleibender Kost 14 Tage lang verfolgt wurde. Erhielten die Patienten die 10 g Ascorbinsäure vermittels rektaler Tropfinfusion, so trat keine erhöhte Anfangsausscheidung auf, sondern es wurden sofort täglich etwa 200-300 mg Ascorbinsäure mit dem Urin ausgeschieden. (Diese Verschiedenheit der Resorption und der Ausscheidung über die Niere ist gegenwärtig Gegenstand einer eingehenden Untersuchung.)

|* Das 2,6-Dichlorophenol-indophenol wurde uns von E. Merck, Darmstadt, zur Verfügung gestellt.|

Wir konnten bei unseren Patienten die von Rietschel beschriebenen Dyspepsien, die Schlaflosigkeit sowie eine vermehrte Unruhe, wie er sie bei gesunden Kindern durch Überdosen von Vitamin C sah, nicht beobachten.

Nach Stepp, Kühnau und Schroeder ist die Ascorbinsäure praktisch ungiftig; ein überschuß wird ausgeschieden. Von Versuchstieren wurden Dosen vertragen, die das 1000fache ihres Tagesbedarfs enthielten. Menschen erhielten neuerdings bis zu 16 g täglich, ohne daß irgendwelche toxische Wirkungen beobachtet wurden.

Es erscheint uns nun schwierig, für den Effekt der hohen Ascorbinsäuregaben in der Behandlung der Hepatitis epidemica eine Erklärung zu finden. Die biologische Funktion der Ascorbinsäure beruht nach Lehnartz u. a. auf ihrer Eigenschaft als Redox-System. Daß es sich hier aber um den einfachen Redox-Effekt handelt, erscheint sehr zweifelhaft. Würde dies nämlich der Fall sein, so müßten z. B. entsprechende Zysteingaben den gleichen Einfluß auf den Verlauf der Hepatitis epidemica haben, was aber — wie wir nachprüften — nicht der Fall ist. Man könnte eher annehmen, daß die stimulierende Wirkung der Ascorbinsäure beim Vorgang der Komplement- und Antikörperbildung eine Rolle spielt (s. Stepp, Kühnau, Schroeder). Wahrscheinlicher erscheint uns, was sich u. a. schon durch die diuretische Wirkung der Ascorbinsäure bei der Hepatitis zeigt, daß eine Aktivierung der Nebennierenrinden-Inkretion an dem Effekt beteiligt ist. Daß bei der Hepatitis epidemica ein Ascorbinsäuremangel besteht, wurde schon häufig festgestellt (Tomaszewski, Pennetti und De Ritis, Galvan, Gounelle und Marche). Ein Vitamin-C-Mangel wiederum kann eine Funktionsstörung der Nebenniere bedingen. Durch verschiedene Reize spezifischer oder unspezifischer Art (Stress) wird ein HVL-NNR Mechanismus ausgelöst und damit eine Ausschüttung von ACTH und Cortison angeregt. Die Honnon-Überproduktion senkt den Vitamin-C-Spieget im Blut noch weiter und führt schließlich zum Verschwinden des Vitamins aus der Nebenniere (Schroeder). Auch Ferstl, Heppich und Schmid wiesen darauf hin, daß die Refraktärphase des ACTH bei gleichzeitiger Ascorbinsäure-Verabreichung ausbleibt; sie fordern daher eine Auffüllung der Organreserven mit Vitamin C, um den dort steigenden Verbrauch in der Nebennierenrinde und damit die sich ergebende Dysfunktion zu verhindern. Auch diesen Fragen über die Beteiligung der Nebenniere bzw. der Nebennierenrindenhormone bei der Therapie der Hepatitis wird derzeit nachgegangen.

Zu erwähnen wäre noch die Untersuchung von Klodt, der nachwies, daß die Galle bei der Resorption von Vitamin C wesentlich beteiligt ist. Durch die mangelnde Vitamin-C-Resorption während des ikterischen Stadiums würde demnach der Vitamin-C-Mangel der Patienten noch verstärkt.

Die Ascorbinsäure schützt bei experimenteller Leberschädigung (Hirata, Beyer, Milhorat u. a.). Hirata erzielte durch Injektion von Chloroform-Olivenö1-Emulsion bei Kaninchen eine akute Leberschädigung; danach erfolgt ein Absinken des Vitamin-C-Gehaltes des Blutes, der Leber und der Nebennieren auf etwa die Hälfte der Normalwerte. Nach der akuten Schädigung wurde außerdem ein Schwund des Leberglykogens beobachtet. Erhielten die Kaninchen mit der leberschädigenden Injektion gleichzeitig Vitamin C in hoher Dosierung (200 mg pro Kilogramm Körpergewicht), so sank der Glykogen-Gehalt der Leber nicht ab. Tägliche Verabreichung von Ascorbinsäure in gleicher Dosierung an unbehandelte Tiere führte zu einem Anstieg der Leberglykogenmenge um 30%. Bei den Tieren, die Chloroform und gleichzeitig Ascorbinsäure erhielten, konnte histologisch keine Leberschädigung nachgewiesen werden. Diese Untersuchungen sprechen dafür, daß die Ascorbinsäure Leberdysfunktionen zu beseitigen vermag. Ganz entsprechende Untersuchungsergebnisse erhielt Burkmann nach Tetrachlorkohlenstoff-Intoxikationen bei Kaninchen und Meerschweinchen und solchen mit gleichzeitiger Verabreichung von Ascorbinsäure.

Wenn wir auch heute noch nicht die Wirkung hoher Vitamin-C-Dosen bei der Hepatitis epidemica erklären können, so halten wir es dennoch für wichtig, hier darüber zu berichten, da uns diese Therapie z. Z. die beste und erfolgreichste zu sein scheint.

Die Frage, ob mit oraler Applikation von Vitamin C in gleich hohen Dosen bei der Hepatitis epidemica ein entsprechender Effekt zu erreichen ist, können wir heute schon dahingehend beantworten, daß dies nicht der Fall ist. Nähere Einzelheiten über diese Untersuchungen müssen einer späteren Mitteilung vorbehalten bleiben.


Zusammenfassung

Wir behandelten 63 Kinder*, die an Hepatitis epidemica erkrankt waren, mit täglich 10 g Ascorbinsäure in 1000 ml Infusionsflüssigkeit jeweils im Mittel 5 Tage lang. Die Applikationsart (intravenös, rektal, kombiniert intravenös-rektal) ergibt keine signifikanten Unterschiede.

|*Die Zahl der mit Ascorbinsäure behandelten Patienten hat sich mittlerweile auf über 100 erhöht. Der Behandlungserfolg war weiterhin der gleiche.|

Als Vergleichsgruppe dienten 63 Hepatitis-Patienten gleicher Schwere aus den Jahren 1953 bis 1956, die mit Cholinchlorid, Methionin und Magnesiumsulfat behandelt waren.

Bei der Therapie mit hohen Vitamin-C-Dosen ergab sich:

Bereits in den ersten Tagen trat subjektiv eine deutliche Besserung auf, weiter guter Appetit und Gewichtszunahme. Eine überschießende Diurese wurde beobachtet.

Die Leberschwellung ging rasch zurück; früher dauerte es im Mittel 30,3 Tage, bis die Lebergröße normalisiert war, unter Ascorbinsäure-Behandlung war dies im Mittel in 8,6 Tagen der Fall. Gleichlaufend damit sahen wir ein schnelles Abblassen des Haut- und Sklerenikterus.

Der Übergang zur fettreicheren Kost war durchweg in der zweiten Woche der Behandlung möglich: dies wurde ausnahmslos gut vertragen. Rezidive oder Wiederauftreten von Gallenfarbstoffen im Urin wurden nicht beobachtet.

Während mit der früheren Therapie die Klinikbehandlung im Mittel 64,9 Tage dauerte, konnten wir unsere Patienten schon nach einer mittleren Behandlungsdauer von 31,8 Tagen entlassen.


Summary

63 children with epidemic hepatitis were treated with daily doses of 10 g ascorbic acid in 1000 ml infusion fluid for an average period of 5 days. The mode of administration (intravenous, rectal or as a [sic] intravenous-rectal combination) did not influence the resuits to a significant extent.

63 patients with hepatitis of comparable severity from the years 1953 to 1956 served as controls; they had been treated with choline chloride, methionine and magnesium sulfate.

Therapy with high doses of vitamin C showed the following effects: Already during the first few days marked subjective improvement was noticed, followed by good appetite and weight gain; excessive diuresis was also abserved [sic].

The swelling of the liver subsided rapidly. In previous cases it took an average of 30.3 days until the liver regained normal size in contrast to 8.6 days under ascorbic acid treatment. At the same time the jaundice disappeared rapidly.

Fat-containing diet could be started in all cases during the sesond [sic] week and was well tolerated without exception. Clinical relapses or re-appearance of biliary substances in the urine did not occur. Whereas with the usual therapy hospitalization lasted an average of 64.9 days, only 31.9 days in the hospital were required for patients of the described series.


Literaturverzeichnis

Anschrift der Verfasser: Berlin-Buch, Kinderkrankenhaus im Hufeland-Krankenhaus.


Aus Medizinische Monatenschrift, 11 Jahrgang, Heft 6, 1957.

[Note: Several typographical/grammatical errors in the English abstract were noted and have been marked with [sic]- AscorbateWeb Editor]

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