ÜBER DIE VITAMIN C-THERAPIE DES KEUCHHUSTENS.

Von

Dr. TOSHIO OTANI.

Aus der Kinderklinik der Kaiserlichen Universität Kyoto

(Vorstand: Prof. S. HATTORI).

Die Behandlung des Keuchhustens in den letzten 30 Jahren läßt keinen merklichen Fortschritt erkennen, und es verlohnt sich, Behandlung und Prophylaxe von einem neuen Gesichtspunkte zu betrachten. Ich fand, daß zwischen Vitamin C und Bacillus pertussis spezifische Beziehungen bestehen. Ein Teil dieser Untersuchungen wurde schon in japanischer Sprache veröffentlicht. Über das Wesentliche sei hier berichtet:


I. Einfluß von Vitamin C auf den Bacillus pertussis.

1. Bakterienwachstum: In solide Nährboden (PH 7,0) mit verschiedenen pathogenen Bakterien, wie Pneumokokken, Influenzabacillen, Colibacillen, Dysenteriebacillen, Typhusbacillen, Diphtheriebacillen, Staphylokokken, Streptokokken, Meningokokken, B. pyocyaneus, B. subtilis, B. prodigiosus, Bacillus pertussis wurde Vitamin C (Redoxon, L-ascorbinsaures Natrium (PH 6,4 bis 6,6]) gegeben. Dabei wurde festgestellt, daß durch Vitamin C nur die Keuchhustenbacillen spezifisch in der Entwicklung gehemmt werden, während alle anderen Bakterien fast unbeeinflußt blieben. Je größer die Vitamin C-Menge ist, desto deutlicher wird die Entwicklung der Keuchhustenbacillen gestört; es kommt zur allmählichen Veränderung des Bacillenleibes, Auftreten regressiver Metamorphose und schließlich zur Abtötung. Vitamin C hat also eine bactericide Wirkung auf die Keuchhustenbacillen.

Die Influenzabacillen, die bakteriologisch schwer zu differenzieren sind, wurden eingehend mit den Keuchhustenbacillen verglichen. Es ließen sich keine Entwicklungsstörungen der Bacillen durch Vitamin C, auch keine regressiven Veränderungen oder andere Einflüsse beobachten. Die Tatsache, daß die beiden Bakterienarten in der Beeinflußbarkeit durch Vitamin C einen deutlichen Unterschied aufweisen, kann als Methode zur Unterscheidung angesehen werden.

2. Virulenz: Durch den Tierversuch konnte nachgewiesen werden, daß Keuchhustenbacillen, die durch Kultur in Nährboden mit Vitamin C-Zusatz (1,2—1,8 mg Redoxon pro 1 ccm) sich verändert hatten, im Vergleich mit den als Kontrolle dienenden Keuchhustenbacillen eine stark abgeschwächte Virulenz besitzen.

3. Blutbild: Die Untersuchung des Blutbildes von Kaninchen, denen Keuchhustenbacillen intravenös eingespritztwurden, zeigte 3 Tage nach der Injektion starke Leukocytose mit relativer Lymphocytose (60—80%) und nach einer Woche Rückkehr zur Norm. Dagegen zeigte das Blutbild nach Behandlung mit veränderten Keuchhustenbacillen wohl eine Leukocytose, aber keine Lymphocytose. Die Lymphocyten betrugen nur 35—50% und es zeigte sich eher eine neutropolynucleäre Leukocytose leichten Grades.


II. Einfluß von Vitamin C auf das Keuchhustentoxin.

Das von meinem Keuchhustenbakterienstamm erhaltene Toxin besitzt nach dem intracutanen Injektionsversuch an Kaninchen und Meerschweinchen genügende Toxizität, um deutliche Entzündung entstehen zu lassen. Diese Reaktion kann jedoch durch vorherigen Zusatz von Vitamin C zu einer bestimmten Menge Toxin deutlich gehemmt werden. Je größer die Vitamin C-Menge ist, desto größer ist die Entgiftungswirkung. Diese intracutane Reaktion des Keuchhustentoxins wird ferner bei durch Vitamin C-Injektionen vorbehandelten Tieren imVergleich zur Kontrolle deutlich abgeschwächt.

Auf Grund dieser Untersuchungsergebnisse habe ich bei der Behandlung keuchhustenkranker Kinder Vitamin C angewandt, und zwar mit sehr gutem Erfolge. Es handelt sich um 81 Kinder.

Untersuchungsmethode. Untersucht wurden Patienten der Poliklinik und der Kinderklinik der Kyoto Kaiserlichen Universität, die laut Diagnose an Keuchhusten litten. Darunter befanden sich einfache Keuchhustenfälle, Keuchhustenfälle mit Bronchitis und Keuchhusten mit Pneumonie, ferner solche, die von verschiedenen anderen Komplikationen begleitet waren. Die Beobachtung der Kinder wurde in verschiedenen Stadien durchgeführt.

Für die Behandlung des Keuchhustens gebrauchte ich Vitamin C-Redoxon „Roche” (L-ascorbinsäures Natrium) in der Injektionslösung 0,1 g pro Ampulle.

Die nur an Keuchhusten Erkrankten wurden ausschließlich mit dem Vitamin C-Präparat behandelt. Auch bei Kranken mit Keuchhusten, kompliziert durch Bronchitis oder Pneumonie, wurde jede andere spezifische Behandlung des Keuchhustens vollkommen ausgeschaltet und nur die allgemein symptomatische Behandlung durchgeführt. Mit Rücksicht auf den Krankheitsgrad und das Alter der Kinder wurde bei leichten Fällen 50—100 mg, bei mittelschweren 100—150 mg und bei schweren über 200 mg 1 mal täglich (unter Umständen in 2 Malen) intravenös oder intramuskulär eingespritzt. Die Einspritzung geschah im Anfang täglich, nach eingetretener Besserung der Symptome jeden 2. Tag, im ganzen 5—6—12 Injektionen. Nach Verlauf von etwa 1—3 Wochen wurde das Symptomenbild festgelegt und das Blutbild untersucht. Namentlich wurde geachtet auf: Stärke des konvulsiven Hustens, Mundlippencyanose bei Hustenanfällen, Anfälle mit Atemnot, Auftreten von Erbrechen, sowie Grad der Reprise und die Zahl der Hustenanfälle; ferner auf die allgemeinen Symptome: Lebhaftigkeit, Appetit, Schlaf und Stimmung. Das Blutbild wurde mindestens 3 mal untersucht.


Ergebnisse

Die Beobachtung von 81 Kindern ergibt, daß bei 66 Fällen frühestens nach 4—5, spätestens nach 6—8 Injektionen, d. h. 1—2 Wochen nach Beginn der Behandlung, der Krampfhusten gemildert wurde, die Mundlippencyanose bei Hustenanfällen, Anfälle mit Atemnot, Erbrechen und Reprise verschwanden, auch die Zahl der Hustenanfälle vermindert wurde. Die Kranken wurden lebhaft, hatten guten Appetit und die Rekonvaleszenz nahm einen sehr befriedigenden Verlauf. Die besten therapeutischen Erfolge betrafen komplikationsfreie Fälle, vor allem war die Therapie erfolgreich bei den relativ frühzeitig behandelten Patienten, d. h. etwa 1 Woche nach Übergang zum Stadium convulsivum. Auch bei den später in Behandlung genommenen Patienten wurde ein gutes Resultat beobachtet. Bei den im frühen katarrhalischen Stadium behandelten Kindern entwickelte sich öfters noch das Konvulsionsstadium, doch war dieses im Vergleich zum gewöhnlichen Verlauf abgekürzt.

Besonders zu erwähnen sind 3 schwere Fälle von Keuchhustenpneumonie bei künstlich ernährten Säuglingen, bei denen die bisherigen Behandlungsmethoden, Vaccinbehandlung usw., selten erfolgreich sind und mit letalem Ausgang gerechnet werden muß. Durch unsere Therapie wurden die Kinder nach 2—3 Wochen deutlich gebessert und schließlich geheilt.

Das Blutbild von Patienten mit Keuchhusten (oder Keuchhusten und Bronchitis), das vor der Behandlung eine 6o bis 90 proz. Lymphocytose aufwies, zeigte 1 Woche bis 10 Tage nach Beginn der Vitamin C-Injektionen eine Verminderung der Lymphocyten auf 40—60 % und eine Prozentzunahme der neutronucleären Leukocyten und leichtgradige Neutrophilie. Die Leukocytenzahl zeigt bei Fällen des frühen Konvulsionsstadiums geringe Zunahme nach dieser Behandlung, aber bei dem größeren Teil der Fälle wurde in der 2. Woche des Konvulsionsstadiums eine Verminderung gefunden. Das Blutbild bei den Keuchhustenpatienten mit Pneumonie ist etwas verschieden, nämlich durch die Behandlung vermindert sich allmählich die Leukocytenzahl, auch die Prozentzahl der polynucleären Leukocyten, es kommt zum Übergang in Lymphocytose, mit anderen Worten, man findet ein annähernd normales Blutbild vor.

Die wenigen Fälle, bei denen kein therapeutischer Erfolg zu beobachten war, betrafen meistens solche mit anderen Komplikationen. Entweder ging aus der Familiengeschichte der Kinder hervor, daß Fälle mit Asthma, Tuberkulose usw. vorhanden waren, oder die Kinder hatten selbst allergische Krankheiten, asthmatische, exsudative und skrofulöse Konstitution, Tuberkulose, Masern, Grippe, hochgradige Tonsillitis, oder es handelte sich um Kinder mit angeborener Nervosität.


Zusammenfassung

Unter 81 Fällen, bei denen eine Vitamin C-Therapie versucht wurde, konnte bei 34 Fällen eine deutliche Besserung der Symptome oder vollkommene Heilung, bei 32 Fällen Besserung der Symptome erzielt werden, während bei 15 Fällen eine Wirkung nicht festzustellen war.

Demnach kann die Vitamin C-Therapie als eine wirksame spezifische Therapie angesehen werden. Diese Therapie, die selbst beim Gebrauch von überschüssigen Vitamin C-Dosen im Vergleich mit anderen Behandlungen keine Nebenwirkungen beobachten läßt, hat den Vorteil, daß sie bei Keuchhusten im Säuglingsalter, wo bisher wegen der ungenügenden Produktion an Immunkörper Wirkung der spezifischen Vaccineinjektion schwer zu erreichen war, mit Erfolg angewandt werden kann.

Die Erklärung des klinischen Erfolges der Vitamin-C Therapie liegt in der Tatsache, daß unter den verschiedenen pathogenen Bakterien der B. pertussis spezifisch durch Vitamin C in der Entwicklung gehemmt und schließlich abgetötet wird; auch das Bakterientoxin des Keuchhustens wird durch Vitamin C entgiftet. Ob die durch Vitamin CInjektionen sekundär entstehenden Veränderungen im Organismus außerdem die Heilung fördern, ist noch zu untersuchen.

Ergänzend möchte ich über Untersuchungen zur Prophylaxe des Keuchhustens berichten. Obwohl die Toxizität der Keuchhustenbacillen, die auf Nährboden mit Vitamin C-Zusatz gewachsen sind, im Vergleich mit dem ursprünglichen Bakterienstamm deutlich abgeschwächt ist, und beim Tierversuch und im Blutbild sich die bei der Behandlung des Keuchhustens beschriebenen Veränderungen zeigen, so konnte doch durch sie eine genügende Immunität erzielt werden. Die serologische Untersuchung des Kaninchen-Immunserum der betreffenden abgeschwächten Bakterien ergab, daß die Agglutinations- und die Komplementbindungsreaktionen denen der ursprünglichen Bakterien gleich waren. Tiere, denen die abgeschwächten Keuchhustenbakterien mehrere Male eingespritzt wurden, konnten am Leben erhalten werden. Auch wenn wir den Tieren abgeschwächte Bacillen in der mehrfachen Menge der minimalen Dosis letalis ursprünglicher Bacillen injizierten, führte das nicht zum Tode der Tiere, was deutlich für die Antitoxinbildung der abgeschwächten Keuchhustenbakterien spricht und was als Vorversuch zur Prophylaxe der Tierinfektion angesehen werden kann. Untersuchungen der Immunität durch diese veränderten Keuchhustenbakterien nach Einverleibung lebender Bacillen sind im Gange.


Literatur

  1. BAYER, Klin. Wschr. 1935, 301
  2. J. BORDET et O. GENGOU, Ann. Inst. Pasteur 20 (1906); 21 (1907).
  3. FUKUSHIMA, Nyujigaku Zasshi Z. Säuglingsheilk. 3, 382 (1928).
  4. FRIEDRICH, WILDTGRUBE, Erg. inn. Med. 45 (1933).
  5. J. GAGYI, Klin. Wschr. 1936. 190
  6. GUNDEL u. SCHLUETER, Z. Immunforsch. 81, 218 (1934).
  7. O. GROOTTEN et N. BEZSSONOFF, C. r. Soc. Biol. Paris 120, 121 (1935)
  8. Ann. Inst. Pasteur 56, 413 (1936)
  9. KAIRIES u. SIG. GOETZE, Z. Kinderheilk. 55, 551 (1935)
  10. Nippon Naika Zensho Jap. Enzyklopaedie der internen Medizin 8, H. 10 (1933), Zusammenstellung über Keuchhusten.
  11. OTANI, Nippon Biseibutsugaku Zasshi Jap. Z. Biol. 30, 235 (1936).
  12. PFAUNDLER-SCHLOSSMANN, Handbuch der Kinderheilkunde 2, 414 (1931).
  13. SAIMAN, Jika Zasshi Z. Kinderheilk. 427, 1782 (1935).

From Klinische Wochenschrift, 15. Jahrgang, 19 Dezember 1936, Nummer 51, pp. 1884-1885

HTML Revised 20 November, 2013.
Corrections and formatting © 1999-2003 AscorbateWeb