Die Arbeiten von Jusatz (1) haben the grundlegende Bedeutung des Vitamin C bei der Antikörperbildung und im Ablauf von Infektionen aufgedeckt. Über erfolgreiche therapeutische Anwendung von Vitamin-C-Präparaten wird bei verschiedenen Krankheiten berichtet, so bei Scarlatina, Pertussis, bei Diphtherie (mit gleichzeitiger Anwendung von Nebennierenrindenextrakten) und besonders bei der lobären Pneumonie. Angeregt durch die Arbeiten von Hasselbach (2) und Pilz (3) über die auch im Verlaufe einer chronischen Infektionskrankheit, wie es die Lungentuberkulose ist, auftretende C-Hypovitaminose und ihre Behebung, habe ich auf Wunsch meines Chefs an einer Reihe von Lungentuberkulosekranken unserer Abteilung therapeutische Versuche mit Vitamin C unternommen. Die hierzu notwendigen Mengen von Vitamin C stellte uns die Firma Hoffmann La Roche in Form ihres Präparates Redoxon freundliehst zur Verfügung, wofür wir an dieser Stelle unsern herzlichsten Dank sagen.
Da wir uns im klaren waren, mit der Beseitigung des Vitamin-C-Defizits nicht eine tiefergreifende Therapie der Tuberkulose als solche zu betreiben, sondern vielmehr nur ein Adjuvans in der Behandlung dieser Kranken vor uns zu haben, mußten wir den Erfolg weniger an der Besserung des Gesamtbefundes, ja nicht einmal an der erkrankten Lunge selbst messen, sondern ihn vielmehr in eine Reihe von Einzelfaktoren auflösen und an diesen zu erkennen suchen. Daher wurden vor Beginn und nach Erreichen der Sättigung mit Vitamin C in jedem Fall eine Gewichts und Blutbildkontrolle sowie eine Bestimmung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit durchgeführt. Selbstverständlich wurden der Temperaturverlauf und das subjektive Befinden (Appetit usw.) genau verfolgt.
Dabei hat sich nun Folgendes ergeben: Übereinstimmend haben alle Patienten nach der 3. oder 4. Injektion von Redoxon, die subkutan vollkommen reizlos vertragen wurde, über zunehmenden guten Appetit und körperliches Wohl befinden berichtet. Mit einer einzigen Ausnahme ergaben sich durchweg Gewichtszunahmen, welche teils schon während der Vitaminbehandlung, teils nach Abschluß derselben, d. h. nach Erreichen der Sättigung einsetzten. Lediglich in einem Fall kam es zu einem Gewichtsstillstand, was wir aber als Erfolg werten, da diese Patientin vor und nach der Kur an Gewicht verloren hatte. Vor Beginn der Kur war nur bei 3 von 10 Fällen Gewichtszunahme festzustellen.
Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (bestimmt nach Poindegger) war schon vor Beginn der Kur in den meisten Fällen durch Liegekur oder Pneubehandlung nahezu oder vollständig normalisiert. Sie ist aber durchweg weiter gefallen, und nur drei von den 10 Fällen haben eine Erhöhung in der Beobachtungszeit zu verzeichnen, die aber bei den prognostisch ungünstig liegenden Krankheitsbildern nicht weiter verwundert.
Das Differentialblutbild ergab in sehr kurzer Zeit einen Rückgang der Linksverschiebung und ein Auftreten von Monozyten, so daß in 8 von 10 Fällen die Beeinflussung nach der Normalisierung des Blutbildes hin ganz deutlich wird; bei Kontrollen wurden in so kurzer Zeit die Blutbilder nie in der Weise verändert.
Die fieberhaften von unseren Fällen zeigten Rückgang der Temperatur auf Vitamin-C-Verabreichung, insbesondere sinnfällig ein Fall mit beinahe experimenteller Sicherheit. Es fielen zunächst die subfebrilen Temperaturen, die monate-langer Spital- und Heilstättenbehandlung getrotzt hatten, nach 400 mg Redoxon zur Norm; als wegen der eintretenden Menstruation am 5. Tage mit der Medikation ausgesetzt werden mußte, zeigte sich am nächsten Tage Erhöhung der Temperatur, die wieder 37,6° erreichte. Am 9. Tage wurde wieder mit der täglichen Injektion von 100 mg Redoxon begonnen und am 12. Tage Fieberfreiheit erreicht, die bis zum 16. Tag anhielt. Patientin verließ an diesem Tage das Spital, erhielt keine Injektionen mehr und war am 18. Tage (2 Tage injektionsfrei) wieder auf der alten Temperaturhöhe, auf der sie auch weiterhin verblieben ist. Auffallend war, daß in diesem Falle eine Sättigung nicht erreicht wurde: Die tägliche Ausscheidung im Harn betrug durchschnittlich 3½ bis 4½ mg und erreichte nach 11 Injektionen von je 100mg Askorbinsäure erst 10 mg. In einem Fall konnte Besserung der Temperaturen nicht erreicht werden.
In die Zeit der Vitamin C-Bestimmungen fielen 26 Nachfüllungen von artefiziellen Pneumothorazes; wir hatten Gelegenheit, die Schwankungen des Vitamin C Spiegels im Harn im Gefolge der Nachfüllungen zu beobachten und konnten dabei Folgendes feststellen: In 24 Fällen fand sich eine mehr oder weniger deutliche Abnahme des Vitamingehaltes des Harnes nach der Nachfüllung, wobei frischere Pneus mit guter Kompression diese Erscheinung deutlicher zeigten als ältere oder solche mit weniger guter Kompression. Auch erfolgten in den Fällen, in denen der Abfall an Vitamin C nach der Nachfüllung besonders deutlich war, Temperatursteigerungen.
Diese Beobachtung, die unseres Wissens noch nirgends beschrieben wurde, spricht dafür, daß ein erhöhter Toxinspiegel des Blutes, wie er nach der Nachfüllung eines Pneus ja besteht, einen erhöhten Vitamin-C Verbrauch zur Folge hat. An einem Kranken sahen wir nach 2 Pneumothoraxnachfüllungen eine deutliche Steigerung des Gehalts an Vitamin C im Harn. Hier dürfte es sich wohl so verhalten, daß bei guter Kompression des erkrankten Lungenabschnitts weniger Toxine ausgeschwemmt werden als bei weniger guter.
Daß die subkutane Darreichung von Redoxon vor der intravenösen den Vorteil einer gleichmäßigeren Erhöhung des Vitaminspiegels hat und auch eine sparsamere Art der parenteralen Zufuhr ist, möchten wir nur nebenbei erwähnen. Nach Abschluß der Sättigung ist die Aufrechterhaltung des C-Spiegels durch perorale Gaben eines Vitamin-C-Präparats leicht durchzuführen, was zur Aufrechterhaltung der erreichten Teilerfolge unbedingte Voraussetzung ist.
Durch ausreichende Vitamin-C-Zufuhr läßt sich eine raschere Besserung eines prognostisch a priori nicht allzu ungünstig liegenden Krankheitsbildes erreichen. Diese Besserung äußert sich in Appetitsteigerung, Erhöhung des subjektiven Wohlbefindens, dem Verhalten von Gewichtskurve, Blutbild und Temperatur. Das Verhalten des Vitamin-C-Gehaltes des Harnes nach Nachfüllungen von künstlichen Pneumothorazes berechtigt zur Annahme einer Beziehung von Harn-Vitamin-C-Gehalt zum Toxinspiegel des Blutes; dies konnte an Pneufällen mit guter Kompression des erkrankten Lungenteils bewiesen werden. Hieraus ergibt sich eine Erweiterung des Anwendungsgebiets des Vitamin C, da es sich nicht nur als Adjuvans in der Behandlung der toxischen Erscheinungen leichterer Fälle bewährt, sondern auch während der Pneumothoraxtherapie, besonders zu Beginn, vom Organismus in erhöhtem Maße verbraucht, mit sichtlichem Erfolg verabreicht werden kann.
Es obliegt uns, Herrn Doz. Dr. Halden vom Medizinisch-Chemischen Institut der Universität Graz für die Förderung unserer Bestrebungen auf das herzlichste zu danken.
Aus Medizinisches Klinik, 1938, Nummer 39, s. 972-
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20 November, 2013.
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